Alle paar Wochen lese ich von (angeblichen) Experten „Auf Facebook kann man nichts verkaufen!“. Gleichzeitig fehlen in den offiziellen Erfolgsgeschichten von Facebook meist konkrete Zahlen zu Einnahmen und Ausgaben einer Kampagne. Es ist also für viele Werber gar nicht so einfach, eine eigene valide Argumentationslinie zu finden, ohne allzu viel Lehrgeld ins sonnige Kalifornien zu schicken.
Ich selbst habe noch keine Taktik kennengelernt, die im Performance-Marketing für jede Anforderung funktioniert – auch wenn das in noch so vielen kostenpflichtigen Webinaren versprochen wird. Stelle euch daher heute detailliert eine von vielen Strategien vor, die vor allem bei kleineren (bis 500€ pro Tag) Budgets, bereits bestehendem Traffic (sechsstellige Zugriffe pro Monat) und einer guten Conversionsrate (mindestens 2 %) im Webshop besonders erfolgsversprechend ist.
Um die Lektüre ein wenig spannender zu machen, zeige ich das Ganze anhand einer konkreten Facebook Kampagne, die ich im Weihnachtsgeschäft vom 1. bis zum 25. Dezember 2018 betreut habe:
Mit dem Einsatz von knapp 11.000€ wurde damit ein Umsatz von über 186.000€ generiert – das entspricht einem Return-On-Ad-Spend von über 16,9.
Jetzt kommt ein Satz, der bei jedem Bullshit-Bingo zuverlässig zum Ziel führt: Beim sogenannten squeeze out carpetbomben wir zuerst die breite Masse, builden daraus owned Audiences, optimieren den Traffic auf AddToCart und zwingen zum Schluss diese User mit maximaler Frequenz höflich, aber bestimmt zum Purchase. Quasi: „Kauf! Du Sau!“
Aber nun alles der Reihe nach zum Mitschreiben.
Immer die richtigen Kennzahlen (KPI) aussuchen
Schon vor Kampagnenstart müssen wir uns aus der Unmenge an Kennzahlen, die Facebook zur Verfügung stellt, jene aussuchen, nach denen wir die Kampagne operativ steuern und schlussendlich den Erfolg beurteilen.
Wir ignorieren elegant den ROI, sondern konzentrieren uns primär auf den Return-On-Ad-Spend (aka ROAS). Diese qualitative Kennzahl gibt uns schlussendlich Aufschluss über die Rentabilität oder Schlagkraft unserer Kampagne: Wie viel Umsatz generieren wir mit dem eingesetzten Werbebudget (alles natürlich exklusive Umsatzsteuer)? Gemeinkosten und variable Kosten wie Materialeinsatz sind in dieser Kennzahl naturgemäß nicht berücksichtigt – aus der Hüfte sollten wir daher einen ROAS von mindestens 3 schaffen, um halbwegs ruhig schlafen zu können. Sprich mit 1.000€ Werbegeld sollten zumindest 3.000€ Umsatz generiert werden.
Vorsicht: Niemals Äpfel mit Birnen vergleichen! In vielen der best-cases von Facebook werden auf der Ausgabenseite konkrete Euronen herangezogen und auf der Einnahmenseite nur hochgerechnete Kaufwahrscheinlichkeiten, die aufgrund von unverbindlichen Meinungsumfragen erstellt wurden. So ein Vorgehen mag vielleicht für internationale Konzerne ausreichend sein, für uns Erbsenzähler ist sowas allerdings eine Todsünde.

Screenshot aus dem Facebook Case von Maggi Germany
Wir wählen daher ein kurzfristiges Attributionsfenster von 1-day-view / 1-day-click, ordnen in diesem Fall also nur tatsächliche Käufe innerhalb von 24h nach der Werbeanzeige zu.
Facebook unterscheidet zwischen 6 verschiedenen Arten von Klicks und Klickraten – jede hat ihre Vor- und Nachteile. Oft verwendet wird die quantitative Kennzahl ausgehenden Klicks – das ist die Bruttosumme aller Klicks auf externe Zielseiten.
Wir entscheiden uns bei der laufenden Analyse trotzdem für die individuell ausgehenden Klicks, das ist die Nettosumme (also wie viele Personen) aller Klicks auf externe Zielseiten – aus meiner Sicht der geeignetste KPI.
Die qualitative Kennzahl individuell ausgehende Klickrate (= CTR) gibt uns dann Aufschluss, wie „passend“ ein Ad zur gewählten Zielgruppe war. Nachdem dieser KPI gegen die Reichweite und nicht gegen Impressionen gemessen wird, verfälscht eine hohe Frequenz nicht das Ergebnis. Liegt diese CTR bei Link-Ads deutlich unter 1 %, ist dies oft ein Indiz für zu breite Zielgruppen.
Im folgenden Screenshot haben 7.418 Personen insgesamt 8.309 mal auf einen externen Link und 7.508 (= 15.817 – 8.309) woanders geklickt.
Um auch das Verhalten der User in unserem Webshop richtig interpretieren zu können, brauchen wir dann noch die beiden Pixel-Events AddToCart (= in den Einkaufswagen) und Purchase (= Webseitekäufe). Beim Purchase-Event übergeben wir den generierten Umsatz exklusive Umsatzsteuer und können uns somit den erzielten ROAS pro Werbeanzeige jederzeit von Facebook ausrechnen lassen.
Die ganzen KPI ordnen wir im AdManager mittels „Spalten anpassen“, speichern das Ganze zur späteren Verwendung und sind jetzt bereit für den Kampagnenstart.
Phase 1: Welches Targeting verwenden wir?
Jollydays ist der führende Anbieter für Erlebnisgeschenke am österreichischen Markt. Schon seit 2003 am Markt hat das interne Marketingteam dort mittlerweile sehr umfangreiche historische Daten, zu welcher Zeit des Jahres welche Geschenke gekauft werden. Wir picken uns also aus den über 6.000 angebotenen Erlebnissen nur einige aus den 20 Top-Seller (von Skydiving bis Kulinarik) heraus – die werden wir händisch bewerben.
Blöderweise hat jemand, der einen Casino-Gutschein zu Weihnachten verschenken möchte, nicht zwingend selbst ein Interesse daran – das klassische Targeting von Facebook wird uns also vermutlich nicht wirklich weiterhelfen.
Wir bedienen uns daher schon im Vorfeld der altbewährten Technik des carpet-bombing: Zuerst schalten wir mit geringem Budget ein paar thematische Video-Ads mit möglichst breitem Targeting, optimiert auf Videoaufrufe. Aus diesen Zusehern erstellen wir mehrere Custom Audiences, die wir später als Zielgruppen verwenden.
Je länger sich der User so ein Video angesehen hat, desto besser werden in der Regel die Klickraten der späteren Verkaufskampagnen. Ich verwende meist die 10-sekündigen Aufrufe – als machbarer Preis pro Person in der zukünftigen Zielgruppe kann man 2c bis 3c kalkulieren. User, die immerhin 25 % des gesamten Videos gesehen haben, funktionieren auch sehr fein, sind allerdings teurer.
Der Text im Ad sowie der CTA ist ziemlich egal. Hauptsache, das verwendete Video fesselt den User zumindest 10 Sekunden oder länger.
Sehr gut bewährt haben sich auch shared custom audiences von anderen themenaffinen Fanpages, bevorzugt die Interaktionen der letzten 7 Tage.
Phase 2: Traffic auf die Website schaufeln
Nun schalten wir auf die zuvor generierten Zielgruppen klassische Link-Ads, die auf so genannte Themen-Seiten verweisen. Diese sind zwar nicht zwingend sales-getriggert, sammeln aber überregionale Erlebnisse und bieten somit quer durch ganz Österreich etwas an. Optimiert werden diese Ads auf Conversions (AddToCart).
Es werden hier natürlich auch schon Verkäufe angestoßen – Zweck der Übung ist aber primär eine Erhöhung der qualifizierten Besucher im Webshop: wir bauen rollierende Custom Audiences aus Website-Traffic, die wir gleich in Phase 3 verwerten:
- Alle Besucher der letzten 90 Tage
- Alle Besucher der letzten 30 Tage
- Besucher, die zumindest 1min auf der Webseite waren
- Besucher, die etwas in den Warenkorb gelegt haben
- Besucher, die etwas gekauft haben
In dieser Phase haben sich AdManager Regeln bewährt, die uns automatisch benachrichtigen, sobald eine Werbeanzeige die Kosten pro AddToCart von 6€ übersteigt. Etwa 8€ pro Event sind hier unsere absolute Schmerzgrenze, die Frequenz sollte nicht weit über 5 liegen, die dabei erzielten Kosten pro Kauf ignorieren wir vorerst.
Phase 3: Zitruspresse anwerfen
Jetzt kommen normale Link-Ads sowie Carousel-Ads auf die Zielgruppen der vorigen Phase, die direkt auf die einzelne Produktseiten unserer Topsellerprodukte verweisen. Diesmal optimiert auf Conversions (Purchase).
In dieser Phase ist die Frequenz komplett egal, wir schauen nur mehr auf CTR und Ertragskraft. Optimal wäre hier die absolute Kennzahl des Deckungsbeitrags (= Conversionsumsatz – ausgegebener Betrag). Bedauerlicherweise bietet Facebook derzeit (noch) keine Möglichkeit, individuelle Formeln im AdManager zu hinterlegen, wir verwenden anstatt den ROAS.
Achtung: Der CPO (= Kosten pro Kauf) wird in der Fachliteratur sehr oft als maßgebliche Kennzahl beschrieben. Im ertragsorientieren Performance Marketing spielt er aber in Wahrheit eine mehr als untergeordnete Rolle. Solange das Verhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben stimmt, sind die Kosten pro Kauf unerheblich.
Vergesst die uns eingebläute Angst vor überlappenden Zielgruppen: Nachdem wir maximalen Umsatz in einer sehr beschränkten Zeit herausholen wollen, fahren wir bei bis zu sieben Anzeigengruppen gleichzeitig mit denselben Zielgruppen. Der CPM wird dadurch zwar höher, aber auch das können wir getrost ignorieren, solange die Ergebnisse stimmen. Anzeigen mit einer CTR von über 2% werden von Facebook auch dann ausgespielt, wenn es konkurrierende Anzeigengruppen gibt.
Manchmal haben 40 Hirne einfach bessere und mehr Ideen als 2. Wir holen uns daher für das Kreieren der Werbeanzeigen die kreative Unterstützung der StudentInnen der Privatuniversität Schloss Seeburg sowie der Fachhochschule St. Pölten.
Insgesamt wurden 86 verschiedene Anzeigen für 14 unterschiedliche Erlebnisse getestet. Normalerweise sollte jede Mutation zumindest 100 Klicks abbekommen – bei unterirdisch schlechten Resultaten drehen wir die allerdings auch schon früher ab.
Die Ergebnisse bei CTR und ROAS sind in diesem Beispiel trotz identen Zielgruppen und Zielseite signifikant unterschiedlich:
Sobald sich der Postversand des Gutscheines zeitlich vor Weihnachten nicht mehr ausgeht, stellen wir im Webshop standardmäßig auf „Lieferung als PDF per eMail“ um. Diese Phase läuft bis zum heiligen Abend um 16:00 Uhr, danach feiern wir selbst alle mit der Familie.
Das restliche Attributionsfenster abwartend, ist der Abend des 25. Dezember das offizielles Projektende. 3,5 Wochen Arbeit sind vorbei.